11 next floor 1 / 22 Die Brille täuscht. Daniela Moser benötigt sie nicht zum Sehen. Sie schützt damit ihre Augen. Oder besser: das bisschen Augenlicht, das ihr nach 30 Operationen bis zum Alter von fünf Jahren noch übrigblieb – 0,001 Prozent! So wenig sieht die 29-Jährige heute auf dem rechten Auge; das linke ist blind. Doch damit kann sie Schatten und Farben erkennen, einen Fussgängerstreifen zum Beispiel als grosse gelbe Fläche. Das helfe zur Orientierung, sagt sie. Immerhin. Daniela Moser ist ein positiver Mensch. Dass sie mit einer Erbkrankheit geboren wurde, die sie praktisch blind machte, sei für ihre Eltern schlimmer gewesen als für sie. Sie hat schnell gelernt, sich durchzusetzen und sich hohe Ziele zu stecken. Heute geht sie mit einem Guide Ski fahren oder joggen und singt in verschiedenen Chören. «Ich habe ein gutes Umfeld, einen spannenden Beruf und viele gute Wegbegleiter», sagt sie. «Ich bin zufriedenmit meiner Welt.» Daniela Moser besuchte die Blindenschule in Zollikofen, wo sie zusätzlich zum üblichen Schulstoff auch in den Fächern «Orientierung und Mobilität» sowie «Lebenspraktische Fähigkeiten», also etwa Putzen, Kochen oder Päckli machen, ausSeit ihrer Geburt ist die Bernerin praktisch blind, doch sie lässt sich im Alltag deswegen kaum behindern. Bauliche Massnahmen helfen ihr. Noch wichtiger sei aber die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, sagt sie. Deshalb arbeitet sie als Lobbyistin für die Anliegen der Sehbehinderten. DANIELA MOSER Glücklich mit wenig Sehvermögen gebildet wurde. Nach zehn Schuljahren, erinnert sie sich, werde man dann allerdings ins Wasser geworfen: «Entweder du kannst schwimmen oder nicht.» Sie konnte es. Daniela Moser machte das KV, besuchte die Berufsschule mit Sehenden und schloss ihre Ausbildung mit der Berufsmatura ab. Der zeitliche Aufwand sei allerdings riesig gewesen, erinnert sie sich. Heute arbeitet sie in der Interessenvertretung des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbands SBV, wo sie sich für die Anliegen der 530 000 Schweizerinnen und Schweizer mit einer Sehbehinderung starkmacht, etwa für die Zugänglichkeit von Finanzdienstleistungen und Zahlterminals oder für die optimale Ladengestaltung. Denn der Alltag steckt voller Hindernisse. Die erste richtige Herausforderung des Tages beginnt für Daniela Moser, die in einem Bauernhaus auf dem Land lebt, mit dem Arbeitsweg. Das Problem dabei ist nicht die Orientierung. Sie muss den Kopf während fünf Viertelstunden voll bei der Sache haben. Geschieht etwas Unvorhergesehenes, muss sie schnell handeln. «Muss ich unplanmässig umsteigen, brauche ich dringend jemanden, der mir hilft», sagt sie. «Bin ich die Letzte im Wagen, habe ich verloren.» Ist Daniela Moser unterwegs, hat sie den weissen Stock dabei, als Orientierungshilfe und sichtbares Zeichen für ihre Sehbehinderung. Doch vielen Menschen ist nicht bewusst, was das bedeutet. So ist das Handzeichen eines Autofahrers zwar freundlich gemeint, aber sinnlos, weil sie es ja nicht sieht. Hält ein Auto zudem nicht vollständig an, kann sie die Strasse nicht überqueren, weil sie vom Motorengeräusch her nicht abschätzen kann, wie schnell es noch unterwegs ist. Kehrichtsäcke auf den taktilvisuellen Markierungen zwingen sie derweil zu gefährlichen Umwegen. Sie sagt: «Mein Arbeitstag ist erst dann zu Ende, wenn ich am Abend die Wohnungstür hinter mir zumache. Teilweise ziemlich erschöpft.» Meist aber auch zufrieden mit sich und der Welt. «Denn», so erzählt sie, «man kann auch glücklichwerden, ohne zu sehen.» Ihr Lächeln ist der beste Beweis. «Ich habe ein gutes Umfeld, einen spannenden Beruf und viele gute Wegbegleiter. Ich bin zufrieden mit meiner Welt.» Daniela Moser erzählt, was für blinde Personen bei einem Aufzug zentral ist.
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