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5 next floor 1 / 22 Wer mit Bus, Zug oder Tram fährt, kann heute praktisch immer ebenerdig einsteigen. Das ist eine Folge des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) von 2004. Dieses verlangt, dass Menschen mit Behinderung im Alltag nicht benachteiligt werden dürfen. Vom Komfort der Niederflurfahrzeuge profitieren allerdings nicht nur Menschen im Rollstuhl, sondern alle Passagiere: Der Zugang fällt einfach leichter – insbesondere auch, wenn man einen Kinderwagen schiebt oder mit nachlassender Sehkraft kämpft. Komfortabel sind die neuen Fahrzeuge auch, wenn man nur kurzzeitig eingeschränkt ist, etwa wegen eines verstauchten Fusses. Vielfältige Bedürfnisse Zugang für alle Benutzerinnen und Benutzer, ungeachtet ihres Alters, ihrer Fitness oder ihrer Einschränkungen: Das ist der Hauptgedanke, der mal als hindernisfreies oder barrierefreies Bauen, mal als «access for all» oder «design for all» bezeichnet wird. Wichtiger als der Begriff ist die Haltung dahinter: Es wird nicht mehr eigens für Senioren, für Familien oder für Menschenmit Behinderung geplant undgebaut. Stattdessen suchen Architektinnen und Planer Lösungen, die für alle funktionieren. Wie bei den Niederflurfahrzeugen im ÖV geht es oft darum, Schwellen, Stufen und andere Hindernisse zu beseitigen. Ebenso wichtig sind die klare Signalisation, passende Materialien und optimale Lichtverhältnisse, damit sich auch Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung zurechtfinden können. Felix Schärer ist Architekt und Leiter Hindernisfrei Bauen bei der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung SPV. Gemeinsam mit seinem Team plant und realisiert er behindertengerechte Umbauten von Liegenschaften. So sollen Menschen, die wegen eines Unfalls oder einer Krankheit eine Behinderung erleiden, weiterhin im gewohnten Umfeld bleiben können. Die Unterschiede zwischen einzelnen Personen und ihren individuellen Bedürfnissen sind dabei sehr gross, denn es gibt nicht «die» Behinderung. Gebäude müssen aber von allen Menschen benutzt werden können – von der Rollstuhlfahrerin, die ihre Arme noch gut bewegen und vielleicht sogar Para-Sport machen kann, ebenso wie vom Tetraplegiker im Elektrorollstuhl. Zugang zur Wohnung zentral So unterschiedlich wie die betroffenen Menschen sind auch ihre Wohnsituationen. Die häufigste und wichtigste Baumassnahme ist ein barrierefreier Zugang zur Wohnung. Bei Bauprojekten mit acht odermehrWohneinheiten ist dieser gesetzlich vorgeschrieben, ebenso bei öffentlich genutzten Gebäuden. Manche Kantone verlangen ihn bereits ab vier oder sechsWohneinheiten. Der Zugang umfasst die eigentliche Erschliessung, also die Gestaltung von Türen und Vorräumen. Damit die Mobilität im Gebäude erleichtert wird, müssen oft verschiedene Hindernisse beseitigt oder entschärft werden: Schwergängige Türen erhalten einen Motor, enge Durchgänge werden verbreitert oder Treppenstufen mit einer Rampe ergänzt. Beim behindertengerechten Ausbau von Wohnungen sindweitere individuelleMassnahmen notwendig. «Wir verbreitern zum Beispiel zu enge Türen, gestalten Badezimmer und WCs um, entfernen Schwellen und bauen teilweise auch die Küche um», sagt Felix Schärer. Oft stehe man bei älteren, aber auch neueren Bauten vor der Frage, warum sich manche Architektinnen und Architekten mit dem bedürfnisgerechten Bauen immer noch so schwer täten. Der Brandschutz, sagt Schärer, sei heute überhaupt kein Thema mehr, sondern werde ganz selbstverständlich berücksichtigt. Barrierefreies Bauen macht die gebaute Welt besser und einfacher zugänglich. Vom Kind bis zur Seniorin und vom Rollstuhlfahrer bis zur Passagierin mit viel Gepäck profitieren alle davon. TEXT Michael Staub BILD Beat Brechbühl Offen für alle c «Der Brandschutz ist heute überhaupt kein Thema mehr, sondern wird ganz selbstverständlich berücksichtigt. Beim barrierefreien Bauen ist man noch nicht ganz an diesem Punkt.» Bietet in Sachen Hindernisfreiheit sehr viel: The Circle beim Flughafen Zürich.

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